Konservative und Liberale ruinieren das offene Internet

Mit knapper Mehrheit hat heute der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments seinen Bericht zum Verordnungsentwurf über einen Digitalen Binnenmarkt angenommen.

Petra Kammerevert MdEP

Petra Kammerevert MdEP

„Wenn es darauf ankommt, ein offenes Internet und Netzneutralität zu verteidigen, kann man auf niemanden in den konservativen oder liberalen Fraktionen bauen“, kommentiert die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert das Abstimmungsergebnis. Mit 29 Ja-, 10 Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen hat der Industrieausschuss knapp seinen Bericht zum Verordnungsentwurf über den Digitalen Binnenmarkt angenommen. Zuvor wurde ein Kompromissantrag der Sozialdemokraten abgelehnt. Dieser sah eine gesetzliche Absicherung der Netzneutralität im Verordnungstext vor. Nunmehr aber wurde der Vorschlag der EVP-Berichterstatterin auch mit Unterstützung der Liberalen angenommen. „Das ist der krasse Gegensatz von dem, was wir mit der CDU/CSU im Koalitionsvertrag vereinbart haben“, ärgert sich die Abgeordnete über die Beteiligung ihrer CDU/CSU-Kollegen an diesem Ergebnis.

„Der angenommene Text unterscheidet zwischen einem offenen und einem geschlossenen Internet – Netzneutralität solle nur für den offenen Teil gelten. Dieser Wunsch findet sich auch nur in den Erwägungsgründen, nicht aber in den Artikeln der Verordnung selbst. Wann und wo ein geschlossenes Internet anfängt, wird bewusst offen gelassen“, so die Medienexpertin Kammerevert weiter. Zudem erlaube der Text zu großzügig die Einführung sogenannter Spezialdienste. „Wir Sozialdemokraten haben gefordert, dass diese Spezialdienste zumindest nicht ‚funktional identisch‘ mit Angeboten sind, die im offenen Netz allen zur Verfügung stehen. Ich selbst wollte diese Dienste so limitieren, dass der Anbieter einen technischen Grund für deren Einführung nachweisen muss, der über sein monetäres Gewinnerwartungsinteresse hinausreicht. Mit dem heutigen Text sind wir auf dem allerbesten Weg das einst freie Internet zum Goldesel für Internetgiganten und wenige große Telekommunikationsunternehmen umzubauen. Alle Inhalte gibt es dann nur noch für die, die es sich leisten können. “

Wenigstens sei es der EVP-Berichterstatterin nicht möglich, auf Grundlage des abgestimmten Textes in Trilogverhandlungen mit Rat und Kommission einzutreten. Diese Mandatserteilung habe ihr der Ausschuss mit gerade einmal einer Stimme zu wenig verweigert. „Umso wichtiger wird es sein, dass wir die letzte Chance nutzen, diesen Text in der Plenarsitzung am 3. April zu Gunsten der Netzneutralität und des offenen Internets, das nach dem best-effort-Prinzip arbeitet, zu ändern. Ich werde alles daran setzen, diese Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen und weiter für die gesetzliche Absicherung der Netzneutralität kämpfen“, so die SPD-Netzpolitikerin Petra Kammerevert.