Redner: Fraktionsvorsitzender Rainer Thiel MdL
Es gilt das gesprochene Wort:
Sehr geehrter Herr Landrat Petrauschke,
Sehr geehrte Damen und Herren Kreistagsabgeordnete,
Sehr geehrte Damen und Herren von der Presse,
in vielen Reden werden Einrichtungen des Kreises und deren Arbeit und Wirken anerkannt und gelobt.
Ich nenne ausdrücklich – ohne andere damit auszuschließen – unsere Kreiskrankenhäuser. Das sind Vorzeigeeinrichtungen in den Städten Grevenbroich und Dormagen.
Ich nenne unsere Berufsbildungszentren und die Förderschulen: ordentliche Ausstattung und verdienstvolle Arbeit. Hier kommen Schule und Beruf zusammen. Sogar Fachhochschulreife und Abitur werden angeboten und auch erreicht. Die vorbeugende und oft vorbildliche Gesundheitspolitik des Kreises wird von uns unterstützt.
Öffentliche Ordnung, unsere Polizei im Rhein-Kreis Neuss, da sind wir ganz gut aufgestellt – mal abgesehen von dem Videoskandal beim Neusser Schützenfest – das wurde nach öffentlicher Kritik ja auch schnell beendet. Vieles im Kreis wird von uns allen getragen.
Ja, auch die SPD ist stolz auf unseren Rhein-Kreis Neuss, der auch unsere Heimat ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie werden sicher verstehen, dass wir allerdings an der einen oder anderen Stelle andere Schwerpunkte der Kreispolitik wünschen.
Sicher ist es gut, wenn der Kreis sich entschulden kann. Es hat aber einen bitteren Beigeschmack, wenn die Städte und Gemeinden ihre Ausgleichsreserven aufbrauchen mussten und nun auch an die Substanz gehen müssen.
Das ist eine Schieflage, die vor Ort, in unseren Städten und Gemeinden auf eine Situation stößt, die davon geprägt ist dass alle „freiwillige Maßnahmen“ auf dem Prüfstand stehen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen schmerzhafte Einsparungen für ihre Leistungen hinnehmen.
Wir hatten daher im Finanzausschuss als Haushaltsbegleitbeschluss beantragt „Der Kreis soll für sich selbst die gleichen Maßstäbe gelten lassen und sich keine besseren Standards gönnen als er den Städten und Gemeinden in ihrer Haushaltsführung erlaubt.“
Dieser Beschluss wurde von CDU und FDP abgelehnt.
Die Verwaltung selbst sieht sich außer Stande – oder will es einfach nicht – die eigenen freiwilligen Leistungen auch nur darzustellen.
Ohne Transparenz in diesem Bereich kommen wir aber nicht weiter. So bleibt der bittere Beigeschmack gegenüber den besonderen Kreisstandards. Dazu gehört aus Sicht der SPD eine etwas übertriebene Weltpräsenz.
Da dies die letzte Haushaltsberatung dieser Wahlperiode ist sei ein kleiner Rückblick erlaubt:
Der Rhein-Kreis Neuss – weltweit einzige Kommune beim Weltklimagipfel in Kopenhagen 2009.
Einzige Kommune bei den Olympischen Spielen in Peking, Kreispräsenz im Deutschen Haus, Menschenrechte damals kein Thema.
Natürlich – schon Tradition – Teilnahme der Kreisspitze an den Olympischen Spielen in London, kein kurzer Besuch – Landrat und Stellvertretender Landrat (ist kein stellv. Landrat!) weilen 6 – 8 Tage in London.
Fest im Blick – Olympia in Brasilien…
Pauschale Gelder für internationale Begegnungen, für Großsportereignisse sollen dauerhaft in den Haushalt eingestellt werden.
Dann sind wieder Kreisbürger vor Ort und müssen vom Landrat und seinem Stellvertreter begrüßt werden. Das halten wir für falsch und unnötig.
Bei der Wirtschaftsförderung ist es ähnlich. Reisen in alle Welt – Japan, Südamerika, China, Türkei, USA, Kolumbien, Vietnam, usw., usw.…
Kaum ein schöner Fleck auf dieser Welt, wo unsere Wirtschaftsförderung noch nicht war. Vieles mag sinnvoll sein, alles sicher nicht.
Es fehlt ein Konzept, eine langfristige Strategie um Ansätze zu verstetigen und zu vertiefen.
Und den Wirtschaftsförderungsschwerpunkt – Auslandsreisen in aller Welt– halten wir für übertrieben.
Unsere Hauptwirtschaftspartner wohnen um die Ecke, in den Niederlanden, Belgien und Frankreich. Unsere Exportorientierte Wirtschaft im Rhein-Kreis Neuss hat ihre Hauptmärkte in Europa!
Wir wollen, dass dieser Schwerpunkt in unserer Wirtschaftspolitik mehr berücksichtigt wird.
Die Wirtschaftsdaten im Rhein-Kreis Neuss sind gut. Auch darüber freuen wir uns. Allerdings macht uns Sorge, dass bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit der Kreis keine Erfolge erzielen kann.
Die Bedarfsgemeinschaften steigen gegen den Trend. (Dezember 2012-2013 Kreis + 9,3% /Bund + 1,1% / Land 3,8%)
Auch die Arbeitslosenzahlen steigen gegen den Trend, Land und Bund haben bessere Werte. (Kreis + 9,4% / Bund +1,7% / Land +3,7%)
Das muss aufhorchen lassen, auch wenn die Ausgangslage bei uns günstig ist.
Gerade dann ist es unverständlich, warum sich bei der Langzeitarbeitslosigkeit nichts tut. DIe Zahlen: 2012 14.755 und 2013 15.300.
Vielleicht liegt es an der Haltung diesem Problem gegenüber.
Wurde 2012 das Projekt „Dienstbar“ noch gelobt:
„Das Projekt kombiniert gelungen verschiedene sozial- und gesellschaftspolitische Bedarfe. Einerseits wird hier dem ständigen wachsenden Bedarf an haushaltsnahen Dienstleistungen begegnete, andererseits bietet es sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, insbesondere für Langzeitarbeitslosigkeit.“
Ein Jahr später galt das nicht mehr. Firma und Kundenstamm verkauft, Langzeitarbeitslose alleine gelassen. Das ganze wurde als erfolgreiche Marktintegration einer Firmengründung verklärt.
In Wahrheit war das ein Rückzug von einer schwierigen Aufgabe, aus einem Bereich in dem wenig Glanz und Gloria zu erzielen ist.
Die Hälfte der Energie für Auslandsreisen hier eingesetzt und wir wären weiter.
Der Kreis lobt die interkommunale Zusammenarbeit. In der Realität ist das eine Aufgabenverlagerung von den Städten und Gemeinden auf den Kreis.
Nun musste die Nothaushaltsgemeinde auch das Ausländeramt an den Kreis abgeben.
Darüber hinaus schielt der Kreis auch auf die Jugendämter – Landrat Petrauschke in einem NGZ Interview:
„in wenigen Jahren wird es im Rhein-Kreis Neuss nur noch zwei Jugendämter geben“
Spätestens bei Ämtern mit direktem Bürgerkontakt hört der Spaß auf, da ist die Selbstverwaltungskraft vor Ort betroffen, da würden wichtige Handlungsfelder beeinträchtigt.
Z.B. das Dormagener-Modell – Kein Kind zurücklassen. Grevenbroich hatte 2012 100 € Ausgaben pro Einwohner bei den Ausgaben zur Hilfe für Erziehung, Dormagen nur 62,68€. Das macht immerhin ca. 2,4 Mio. Euro aus und das bei durchaus vergleichbaren Städten.
Hier liegt ein Potential, dass Grevenbroich nutzen kann, dafür braucht es das Jugendamt aber auch viele anderen Partner, wie z.B. auch das Ausländeramt.
Und bei anderen Themen möchten wir andere Schwerpunkte.
- Wir wollen die RB 38 als S-Bahn weiter entwickeln.
- Wir wollen ein Konkretes Konzept zur Inklusionsarbeit im Rhein-Kreis Neuss
- Wir wollen die Herausforderungen und Chancen im Bereich Klimaschutz und Klimafolgeanpassungen im Rhein-Kreis Neuss konkret ergreifen. Ausgangspunkt soll eine vernünftig ausgestattete Klimaschutzstelle beim Kreis sein.
- Wir wollen interkommunale Zusammenarbeit zwischen den Städten und Gemeinden fördern.
- Eigene Bildungseinrichtungen stärken – ISR als Leuchtturmprojekt des Kreises grandios gescheitert.
- Wir unterstützen eine weitere Verbraucherzentrale im Rhein-Kreis Neuss.
- Wir wollen eine Rettungswache für Rommerskirchen.
- Wir wollen keinen Ehrenamtspreis für Journalisten.
- Wir unterstützen die Anregungen aller Parteien, gegen Jugendarbeitslosigkeit mehr zu tun und auch eine zweite Chance für Jugendliche ohne Ausbildung zu ermöglichen.
- Wir unterstützen das Landesprojekt zum Übergang von Schule in den Beruf und die Kreisbeteiligung.
- Stiftungsfinanzierung ist keine Kreisaufgabe.
Hier:
Dank an die Verwaltung und die Dezernenten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Einen Doppelhaushalt lehnen wir ab!
- Er bindet in undemokratischer Weise den neuen Kreistag.
- Er berücksichtigt nicht die Veränderungen in der Finanzmasse und bindet die Städte und Gemeinden. Die Kreisumlage steigt real.
Er zeigt eine Haltung gegenüber Offenheit und Beteiligungsrechten die wir nicht teilen.
Wir hoffen auf eine neue Gestaltungsmehrheit am 25.05.2014 zum Wohle der Städte und Gemeinden – zum Wohle der Menschen im Rhein-Kreis Neuss.
Wir lehnen diesen Haushalt ab!
Herzlichen Dank.